Bonn. Es gibt große Baustellen, vor denen Armin Laschet als neuer CDU-Chef steht. Es ist durchaus möglich, dass der größte von ihnen wie der sprichwörtliche weiße Elefant im virtuellen Besprechungsraum steht, wenn die neu gewählten Spitzengremien der Partei an diesem Montagmorgen (ab 9.00 Uhr) zu ihren konstituierenden Sitzungen zusammenkommen. Das Präsidium trifft sich zuerst, der engste Führungskreis um den Vorsitzenden, dann das größere Präsidium. Wie wird die Stimmung nach der engen Entscheidung auf der Online-Partykonferenz am 16. Januar sein?
Livestream: Armin Laschet nach dem Treffen des CDU-Präsidiums
Siehe im Live-Stream: Neuer CDU-Chef Armin Laschet nach dem ersten Treffen des CDU-Präsidiums ab 13:15 Uhr. Der Start kann um einige Minuten verzögert werden.
Der 59-jährige Laschet erwartet neben seinen Aufgaben als Ministerpräsident des bevölkerungsreichsten Bundesstaates und dem Kampf gegen die Koronapandemie noch viele weitere Herausforderungen.
Ein Überblick:
Die Friedrich-Merz-Frage
Bei der endgültigen Briefwahl erhielt Laschet mit mehr als 80 Prozent Zustimmung breite Unterstützung. Aber kann er Friedrich Merz (Abkürzung: FM) – Liebling des Wirtschaftsflügels und viele Konservative – einbeziehen, der im Kampf um die Parteiführung nur minderwertig ist und zu Beginn des Superwahljahres eine Spaltung der CDU verhindert?
Merz selbst hatte viele Anhänger getäuscht, als er auf dem Parteitag von Laschet forderte, dass Laschet dafür sorgen sollte, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ihn als Wirtschaftsminister ins Kabinett holt. Es ist allgemein bekannt, dass Merkel und Merz eine tiefe Abneigung teilen.
Der 65-jährige Merz kündigte daraufhin an, er wolle bei den nächsten Wahlen helfen. Die Frage bleibt jedoch offen: In welcher Rolle? Merz hatte sein Hilfeangebot mit der Bemerkung verknüpft, dass es „in den nächsten Monaten ohne politisches Amt“ möglich sein würde. War das ein Zeichen mit dem Zaunpfosten für Laschet, um ihn als Wirtschaftsexperten in ein mögliches Schattenkabinett zu bringen, sollte der CDU-Chef tatsächlich ein Kanzlerkandidat werden?
Merz sieht sich als kompetentester Experte in Wirtschaftsfragen
Für Laschet würde ein solcher Schritt nach Ansicht einiger Parteimitglieder ein nicht unerhebliches Risiko darstellen, zusätzlich zu der Chance, das Lager Merz vorerst zu befrieden. Er würde einen Mann an seiner Seite haben, der die Butter von seinem Brot nehmen könnte, was wahrscheinlich das wichtigste Wahlkampfthema war. Denn infolge der Corona-Krise dürfte der Kampf gegen Arbeitslosigkeit und Masseninsolvenzen zum wichtigsten Wahlkampfthema werden. Und Merz gilt als der kompetenteste Experte für geschäftliche Fragen.
Ist das für Laschet nützlich? Andererseits hat er als Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen bewiesen, dass er alle Flügel der Partei in das Kabinett aufnehmen kann.
Es wäre aber auch ein Risiko für Merz, wenn er einen Ministerposten anstreben würde. Denn wenn Laschet als Kanzlerkandidat die Bundestagswahlen gewinnt und eine Regierung bilden könnte, stünde er vor dem Problem, dass viele Politiker aus seinem Heimatstaat Nordrhein-Westfalen über Spitzenpositionen spekulieren. Zu viele für den Geschmack der anderen CDU-Landesverbände. Laschets Teampartner, Gesundheitsminister Jens Spahn, sollte erneut auf eine wichtige Ministerposition hoffen. Gleiches könnte für Norbert Röttgen gelten, der im Kampf um die Parteiführung einen respektablen Erfolg erzielt und in das Präsidium eingezogen war. Es wird gesagt, dass er mit der externen Abteilung spielt.
Noch mehr CDU-Spitzenpolitiker kommen aus Nordrhein-Westfalen: der Fraktionsvorsitzende der Union, Ralph Brinkhaus, der bekanntermaßen gerne in diesem Amt bleibt. Oder CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak, der nach seiner von allen Seiten gelobten Organisation des Führungswechsels in der CDU wahrscheinlich eine wichtige Aufgabe unter Laschet behalten wird. Eine knifflige Aufgabe für Laschet – gibt es noch Platz für Merz?
Die Kanzlerfrage
Erst nach den für die CDU wichtigen Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz werden die Gewerkschaftsführer entscheiden, wer der Kanzlerkandidat sein wird – haben CSU-Chef Markus Söder und Laschet angedeutet. Vielleicht nehmen sie sich Zeit bis nach Ostern, also bis Anfang April. Hier besteht also kein akuter Druck, für Laschet zu handeln.
Die Party
Aber Laschet muss sehr schnell entscheiden, wie er das Parteizentrum, das Adenauerhaus, an seine Bedürfnisse anpassen will. Wie teilt er seine Aufgaben als Regierungschef in Düsseldorf und Parteivorsitzender in Berlin auf? Spätestens nach dem Abklingen der Koronakrise sollten wieder viele Ausschusssitzungen stattfinden – zweimal im Monat, wie es in der Vergangenheit üblich war. Und Laschet sollte auch zu den Fraktionssitzungen oder zu Koalitionsausschüssen eingeladen werden. Das Pendeln zwischen Rhein und Spree wird für den neuen CDU-Chef auf jeden Fall recht zeitaufwändig sein.
Der Wahlkampf
Bereits Laschets Vorgängerin Annegret Kramp-Karrenbauer hatte das Ziel, leere Räume in der CDU zu füllen und mit Menschen zu verbinden. Nachdem in dem fast einjährigen Kater bei der Parteiführung wegen der Pandemie nichts daraus geworden war, fällt diese Aufgabe nun Laschet zu. Auf dem Parteitag erwähnte er wichtige Themen: Ökonomie und Ökologie zusammenbringen und die Digitalisierung vorantreiben. Darüber hinaus das Soziale, die Bildung, Europa und das Internationale – er bezeichnete sich selbst als „Mannschaftskapitän, der führt und zusammenbringt“.
Laschet wird nun wahrscheinlich mit der Parteiführung besprechen, wie der Wahlkampf konkret aussehen soll. Er hat bereits zwei Tipps gegeben: In seiner Bewerbungsrede auf dem Online-Parteitag ging es merklich oft um Vertrauen. Und während seiner Auftritte vor der CDU in den Wahlkampfverbänden Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz kündigte Laschet am Wochenende einen Wahlkampf an: gegen ein rot-rot-grünes linkes Bündnis.
Der Wahlkampf kann aber erst dann wirklich beginnen, wenn klar ist, wer der Kanzlerkandidat sein wird – Laschet oder der bayerische Ministerpräsident Söder. Nach Ostern bleibt jedoch noch viel Zeit, um die heiße Phase des Bundestagswahlkampfs zu planen.