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Leipziger repariert (fast) alles in seiner Werkstatt

Der elektromechanische Meister Holger Günther steht zwischen alten Grammophonen und Puppen und wiegt zunächst etwas. Nein, er kann wirklich nicht alles reparieren, sagt er. Doch dann listet der 61-Jährige in seinem Geschäft in Leipzig auf, was er für Reparaturen akzeptiert. Und das ist ziemlich viel.

„Wir reparieren hauptsächlich Spielzeug, Grammophone, Polyphones, kleine Haushaltsgeräte, manchmal einen Bohrer, Pyramiden, die sich nicht mehr drehen wollen …“ Mit seiner elektromechanischen Werkstatt ist Günther eine sterbende Spezies – und doch liegt sie im Trend.

Fachressourcen und Nachhaltigkeit

Er merkt an, dass die Themen Ressourcenschonung und Nachhaltigkeit für die Menschen immer wichtiger werden, sagt der Bastler. „Die Leute wollen nicht nur Dinge wegwerfen und neue kaufen.“ Dies ist jedoch Standard für viele Produkte. „Ein Service von zwei Jahren wird unbedingt angeboten. Und danach will niemand mehr von den Produzenten etwas über die Kunden wissen.“ Aber jetzt gibt es eine „Reparaturbewegung“ in den USA und in Europa, die das ändern will.

Günther selbst startete unter völlig anderen Bedingungen. Er ließ seinen Meister eine technische Ausbildung absolvieren und machte sich 1988 in Leipzig selbständig. Er übernahm Kundendienstverträge für zwei DDR-Unternehmen: Anker Mechanik Eisfeld, Hersteller von Spielzeug, und VEB Elektrogerätewerk, Hersteller der begehrten Espressomaschine „Kaffeeboy“ , unter anderem. Aber dann kam der Wendepunkt sehr schnell. „Dann wollte niemand etwas mit“ Kaffeeboy „und DDR-Spielzeug zu tun haben.“

Zu dieser Zeit schlug seine Mutter vor, als zweite Säule einen Kostümverleih zu gründen. Das ist bis heute so geblieben: Kostüme und allerlei Karnevalsartikel hängen in der einen Hälfte des Ladens, während die andere Hälfte Werkbänke mit Schraubstöcken für Reparaturen hat. Die Mutter, jetzt 90 Jahre alt, hilft immer noch aus. Sie kann vor allem gut nähen, sagt Günther. „Es gibt eine gewisse Handwerkskunst in der Familie.“

Reparieren statt wegwerfen

Der 61-Jährige hat gerade ein Schrankgrammophon wieder fit gemacht. Er schätzt, dass das Gerät aus den 1930er Jahren stammt. Aber er konnte nicht viel über die antiquarische Qualität sagen. „Wir sind nicht wirklich mit dem Wiederverkaufswert beschäftigt. Für uns ist die technische Funktion wichtig.“ Der Antriebsmechanismus des Grammophons, der mit einer Kurbel gestartet werden konnte, war defekt. Jetzt ist es wieder normal: Es knistert wie alte Radioaufnahmen und dann spielt die Platte glücklich „Die beschwipste Drahtkiste der Schubladen“.

Das Thema Reparieren statt Wegwerfen ist heute ein Anliegen eines ganzen Netzwerks in Deutschland. Die Round Table Repair Association besteht seit 2018 und setzt sich für das Recht auf Reparatur auf nationaler und EU-Ebene ein. „Dies sollte gesetzliche Mindeststandards für Reparaturen vorsehen und würde die Hersteller beispielsweise dazu verpflichten, Ersatzteile auf Lager zu halten“, sagt Koordinatorin Katrin Meyer. Die neue Ökodesign-Richtlinie der EU, die am 1. März in Kraft tritt, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Es muss jedoch auf Produktgruppen wie Smartphones, Laptops und Fernseher ausgedehnt werden.

Reparaturen scheitern oft am Preis

„Im Moment ist es oft so, dass Reparaturen einfach nicht durchgeführt werden können“, sagte Meyer. Entweder gibt es keine Ersatzteile. Oder Geräte sind so gebaut, dass sie überhaupt nicht repariert werden können, weil beispielsweise das, was zuvor geschraubt wurde, geklebt oder geschweißt wird. „Reparaturen scheitern oft am Preis“, sagt Meyer. Es gibt einige Handwerker im Netzwerk, die befürchten, dass ihr Handwerk aussterben wird. „Es wird weniger Handwerker als mehr geben, weil die Bedingungen immer schwieriger werden.“

Holger Günther kennt auch die Schwierigkeiten. Bevor er eine Reparatur annimmt, klärt er immer, bis zu welchem ​​Preis sie repariert werden kann. „Es ist uns nicht möglich, Stunden oder Tage zu verbringen, und der Kunde glaubt dann, dass dies für 10 oder 15 Euro möglich ist“, sagt er. Der 61-Jährige kann nicht sagen, ob er einen Nachfolger für sein Unternehmen finden wird. Sein Sohn ist ebenfalls Hobbyist, aber er hat wenig Interesse daran, die Werkstatt zu übernehmen – gerade weil es nicht so einfach ist, davon zu leben.

© dpa-infocom, dpa: 210222-99-540370 / 4

dpa

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