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Wo vor einem Jahr die deutsche Koronakrise begann

Heinsberg. Die Covid-19-Pandemie hat den Bezirk Heinsberg leider bekannt gemacht. Die Region im Westen Nordrhein-Westfalens gilt als die erste Region oder das erste Epizentrum der Pandemie, die hier vor einem Jahr begann. Die britische „Times“ nannte das Gebiet „German Wuhan“, ein Begriff, der sogar in Wikipedia gelesen werden kann. Die Heinsberger haben diesen Titel, der eine ganze Region stigmatisiert, bis heute nie gern gehört.

Aber zurück zum Anfang: Alles hat seinen Lauf genommen, als das Virus am 25. Februar 2020 bei einem Mann aus dem Bezirk Heinsberg gefunden wurde. Er wurde – zusammen mit seiner Frau – ins Krankenhaus eingeliefert und später beatmet. Mann und Frau sind die ersten in Nordrhein-Westfalen identifizierten Covid-19-Patienten. Am 15. Februar feierte das Ehepaar zusammen mit rund 300 weiteren Junkies das Cap-Meeting des Karnevalsclubs Langbröker Dicke Flaa im Dorf Langbroich-Harzelt in der Gemeinde Gangelt (Heinsberg). Bei dem Treffen soll sich eine entspannte Stimmung durchgesetzt haben, schreibt die Lokalzeitung, dass „die Bürgerhalle tobte“ und Langbroich nicht mehr aufzuhalten sei.

Der Bruder verteidigt sich öffentlich

Der Vater der Familie aus Gangelt, der damals 46 Jahre alt war, soll an diesem Abend einen leichten Hustendrang gehabt haben und verlässt das Festival früh. In der Woche nach der Sitzung erkennt kein Arzt zunächst, dass er Covid-19 hat; Lungenentzündung wird vermutet. Der Mann selbst möchte die Umstände oder den Verlauf seiner Krankheit nicht öffentlich kommentieren. Aber sein Bruder verteidigt sich im „Spiegel“ gegen den Vorschlag, sein Bruder sei die einzige Ursache des Ausbruchs, ein sogenannter Superspreizer. „Als hätte ein kleiner Vogel das Virus auf ihn geworfen“, sagt er im „Spiegel“ -Interview. Er ärgert sich über die Fixierung auf seinen Bruder und seine Frau, obwohl es zu diesem Zeitpunkt in Deutschland bereits 27 bestätigte Koronafälle gab, berichtet das Nachrichtenmagazin.

Tatsächlich wissen wir jetzt, dass nicht nur das Ehepaar bei diesem Ereignis bereits infiziert war und das neue Pandemievirus sich in großem Umfang ausbreitete. Andere Zelebranten sind bereits während der Karnevalssitzung krank geworden. In der anschließenden sogenannten Heinsberg-Studie konnte der Virologe Hendrik Streeck bei 198 Personen, die am Bergmannstreffen teilnahmen, eine akute Infektion oder Antikörper nachweisen. So kam das Virus vor dem Treffen in Heinsberg an. Eine Patientennull kann hier nicht mehr erkannt werden.

„Leider hat nur Professor Streeck die Gelegenheit genutzt“

„Wir sind sehr dankbar, dass Professor Streeck diese Studie sofort durchgeführt hat“, sagt Guido Willems, Bürgermeister von Gangelt des RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). 919 Teilnehmer aus 405 Haushalten in Gangelt werden in der ersten Aprilwoche – sechs Wochen nach Ausbruch der Infektion – befragt und getestet. Das war eine großartige Gelegenheit – man hätte sicherlich weitere wichtige Erkenntnisse aus dem Bezirk Heinsberg gewinnen können – „leider hat nur Herr Streeck die Gelegenheit genutzt“.

Der Krisenmanager: Stephan Pusch (rechts, mit Schal), Bezirksverwalter des Bezirks Heinsberg, wird im März 2020 in der Feuerwache sein, wo Schutzkleidung von der Bundeswehr geliefert wird. © Quelle: Jonas Güttler / dpa

Im Folgenden hat Heinsberg viele Dinge richtig gemacht. Bezirksverwalter Stephan Pusch wird über Nacht Krisenmanager. Jemand, der manchmal ungewöhnliche Wege geht. Er nennt seine regulären Informationsvideos „Push-Nachrichten“ und bekommt fehlende Masken aus China, nachdem er einen Brief an Präsident Xi Jinping geschrieben hat. Das tägliche Krisenteam beschließt schnell, Schulen und Kindergärten zu schließen. 1000 Personen werden umgehend unter Quarantäne gestellt, viele von ihnen direkt angerufen. „Er hat so gute Arbeit geleistet. Eigentlich sollte er in der Regierung sitzen “, sagt Maik Bassauer, ein Bürger, der unter anderem mit einer Nachbarschaftshilfe hilft, der sich viele Menschen spontan gegenüber dem RND zusammenschließen.

Starker Zusammenhalt unter den Bürgern

„Die Menschen hier haben sehr stark zusammengehalten“, sagt Kai Louis. Mitten in der Krise wurde der 37-Jährige bei den Kommunalwahlen im September 2020 zum Bürgermeister der Stadt Heinsberg gewählt. Sein offizieller Arbeitsbeginn wird am 1. November 2020 sein. „Hier waren Sie ein Pionier für vieles, was später in Deutschland passiert ist „, erzählt er dem RND. Natürlich wurden die Heinsberger als Hotspot stigmatisiert. „Das ist bedauerlich und darf nicht sein.“ Maik Nassauer berichtet, dass Autos mit Heinsberger-Nummernschildern an anderer Stelle zerkratzt oder mit Steinen beworfen wurden.

Guido Willems (CDU), Bürgermeister von Gangelt, vor dem Stadttor. © Quelle: Oliver Berg / dpa

Jeder in der Region Heinsberg kennt Menschen – oft aus eigenen Familien -, die an Corona gelitten haben oder sogar daran gestorben sind. „Deshalb hatten wir keine Corona-Demos oder ähnliches“, sagt Guido Willems. Der Bürgermeister kündigt an, dass in der Region besondere Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus geplant sind. Er will nicht genau verraten, was. In der Vergangenheit war die Krise bestmöglich bewältigt worden. „Nichts wirft uns Rheinländer so schnell um“, sagt er. Jetzt ist es Zeit nach vorne zu schauen. Das Stigma des „deutschen Wuhan“ wird nicht bleiben.

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