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„Das Telefon hört nicht auf zu klingeln“

Hannover. Der Friseurhandel leidet stark unter der anhaltenden Koronasperre. Die Salons sind seit dem 16. Dezember 2020 leer – und selbst zu diesem Zeitpunkt hatten viele Geschäfte monatelange Verluste erlitten. Das Ergebnis: existenzielle Ängste. „Für die Eigentümer der 80.000 Salons ist die wirtschaftliche Situation manchmal dramatisch“, sagt der Generaldirektor des Zentralverbandes des Deutschen Friseurhandels (ZV), Jörg Müller. So dramatisch, dass für viele von ihnen illegale Arbeit der einzige Ausweg ist.

Aber jetzt ist Licht am Ende des Tunnels – theoretisch. Bund und Länder haben am Mittwoch vereinbart, dass die Friseure ab dem 1. März wieder öffnen dürfen. Sie müssen die Anzahl der Kunden vor Ort mit Terminen kontrollieren, und chirurgische Masken oder solche mit FFP2-Standard sind obligatorisch. „Eine ganze Branche holt tief Luft, wir haben endlich eine Perspektive und Planungssicherheit“, sagte Müller gegenüber RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).

Laut Landesbeschluss: Ansturm von Terminen bei Friseuren

Das bringt immer noch Herausforderungen mit sich. „Der Ansturm war bereits nach der ersten Sperrung sehr beeindruckend“, erinnert sich der ZV-Geschäftsführer. „Aber was jetzt passiert ist, hat alles übertroffen.“ Kollegen erzählten ihm von überfüllten Postfächern und Anrufen bis Mitternacht.

Szenen, über die Olaf Schulz, Geschäftsführer des Friseursalons Noon Individual in Hannover, berichtet. „Das Telefon hört nicht auf zu klingeln“, berichtet er dem RND. „Wir machen erst am Freitag Termine.“

Die Terminvereinbarungsplattform mein-friseur.de, zu der 350 Friseursalons in Deutschland gehören, bestätigt, dass nun für viele bald wieder ein Besuch beim Friseur möglich sein wird. „Über Nacht waren alle verfügbaren Termine für die erste Woche bei unseren Friseuren ausgebucht“, erklärt ein Sprecher auf Anfrage von RND.

Einige haben Vorsichtsmaßnahmen getroffen. „Seit Mitte Dezember haben wir unseren Kunden die Möglichkeit eingeräumt, Termine für die Zeit nach der Sperrung telefonisch, online oder über soziale Medien zu vereinbaren“, sagte ein Sprecher der Klier Hair Group gegenüber dem RND. Insgesamt ist die Nachfrage nach Terminen in den Salons bereits hoch. „Und wir gehen davon aus, dass es in den nächsten Tagen erheblich zunehmen wird.“

Friseure stehen nach der Sperrung vor Herausforderungen

Der Umgang mit dem Ansturm auf die Salons ist laut Müller jetzt ein Luxusproblem. Politiker geben der Branche einen Vertrauenssprung, indem sie die Maßnahmen lockern. Jetzt ist es wichtig, dies unter anderem mit Hilfe von Arbeitsschutzregeln zu erreichen. Weil Deutschland immer noch „mitten in der Pandemie“ ist – das ist auch Müller klar. „Einige Friseure haben Telefon-Hotlines eingerichtet.“ Maßnahmen wie verlängerte Öffnungszeiten sind angesichts der hohen Nachfrage ähnlich wie im Dezember ebenfalls denkbar. Die Klier Hair Group zum Beispiel plant dies. Man wird „die Situation meistern“.

Wirtschaft: Die Friseurindustrie verlangt finanzielle Unterstützung

Die Branche, die rund 240.000 Mitarbeiter beschäftigt, erzielt normalerweise einen Jahresumsatz von 7,5 Milliarden Euro. Das Loch, das die Corona-Krise in den Kassen der rund 8000 Salons in Deutschland gerissen hat, kann durch den aktuellen Ansturm wahrscheinlich nicht kompensiert werden – da sind sich die Branchenexperten einig. Und das, obwohl Schulz zum Beispiel den Monat des Jahres mit dem höchsten Umsatz erwartet, basierend auf den Erfahrungen des letzten Neustarts.

„Um den Schaden einschätzen zu können, muss man bis zum Sommer warten“, sagt ZV-Geschäftsführer Müller. „Es ist jedoch nicht einmal möglich, die Umsatzverluste aus der zweiten Sperrung auszugleichen – dies war bei der ersten nicht der Fall.“ Mit der Entspannung werden die Hilferufe der Handwerker daher lauter. Schulz erklärt, dass jeder, der zuvor finanzielle Probleme hatte, es jetzt sehr schwer hat. In der Branche gehen sie von einer Marktbereinigung von bis zu 25 Prozent aus.

Schulz selbst hat noch keinen Cent der versprochenen Unterstützung gesehen. Das gilt für viele. Harald Esser, Präsident des ZV, fordert daher: „Die Überbrückungshilfe III muss so schnell wie möglich vom Bundeswirtschaftsministerium ausgezahlt werden und bei den Unternehmen eintreffen.“ Das ist – angesichts der Tatsache, dass der Stillstand dazu beiträgt, dass die Koronainfektionszahlen niedriger sind – nur fair, so Schulz.

Corona-Krise: Nach der Sperrpause folgt nun die hohe Arbeitsbelastung

Es ist unklar, wie sich die Welle der Termine jetzt auf die Psyche der Friseure auswirkt. Immerhin steigt die Arbeitsbelastung enorm. Auch hier braucht die Branche eine Neustartstrategie. „Zum ersten Mal arbeite ich sechs Tage die Woche“, erklärt Schulz. „Aber ich überlasse es den Mitarbeitern. Wenn Sie weitere Anfragen haben, können Sie gerne einen zusätzlichen Tag kommen, aber Sie erhalten eine Rückerstattung. Ab der zweiten Woche versucht er, zu einem „normalen Rhythmus“ zurückzukehren. So oder so: Nach der letzten Sperre wurde klar, dass die Krise in seinem Team mehr Zusammenhalt als Frustration verursachte.

Die Zukunft wird zeigen, wie lange der Friseurlauf dauern wird. „Der Umsatz wird sich nach der ersten Terminwelle sicherlich wieder abflachen“, sagt Müller. „Aber ich denke, viele Menschen sehen die Branche durch die Krise mit anderen Augen. Es hat an Relevanz gewonnen. Hoffentlich bleibt es vorerst so. „“

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