Berlin. Diejenigen, die fasten, wollen normalerweise etwas Gutes für sich und ihren Körper tun. Aber ist es eine gute Idee, sich beim Lockdown noch weiter einzuschränken, bei dem man sowieso auf viel verzichten muss? Jürgen Walter ist Psychologe und arbeitet als Motivationscoach für Manager. Er hat auch selbst Erfahrungen mit therapeutischem Fasten gesammelt.
Herr Walter, ist Fasten jetzt eine gute Idee?
Jeder sollte sich zuerst damit befassen. Aber im Grunde: Warum sollten Sie nicht besser gehen, besonders in Zeiten von Corona und Lockdown? Viele Menschen können sich zum Beispiel nicht einmal vorstellen, drei Tage ohne feste Nahrung zu leben. Unsere Vorfahren haben lange Zeit nichts gegessen, sie konnten nicht jeden Tag ein Mammut töten. Unser Körper kennt also das Fasten. Nach einigen Tagen tritt das Gefühl des Hungers in den Hintergrund und das kann ein unglaubliches Gefühl sein. Fasten kann auch das Gefühl der Selbstwirksamkeit stärken, eine positive Erfahrung, insbesondere in diesen Zeiten.
Was kann mich eine Fasten-Sitzung psychisch bringen?
Gewichtsverlust kann sich auch positiv auf die Psyche auswirken. Dies sollte aber nicht in den Vordergrund gestellt werden. Denn wenn Sie Ihre Ernährung nach dem Fasten nicht ändern, können Sie das verlorene Gewicht schnell wiedererlangen. Eine gute Erfahrung kann einfach sein, bewusst darauf zu verzichten. Und wenn Sie irgendwann etwas Saft oder Brühe trinken, haben Sie ein völlig anderes Geschmackserlebnis. Im Allgemeinen riecht und schmeckt nach dem Fasten viel intensiver, eine Erfahrung, die ich allen wünsche. Wenn Sie jedoch unter gesundheitlichen Einschränkungen leiden, sollten Sie vorher Ihren Arzt konsultieren.
Jürgen Walter arbeitet als Psychologe und Firmencoach in Düsseldorf. © Quelle: Dusanka Mitrovic / Jürgen Walter /
Unter welchen Bedingungen sollte ich mit dem Fasten aufhören?
Wenn ich irgendwelche Zweifel habe, sollte ich vorher sehr genau zuhören, um zu sehen, ob ich derzeit die mentale Stabilität dafür habe. Auch wenn ich mich nicht gut, depressiv oder schlecht gelaunt fühle, sollte ich mir das antun. Das könnte aber auch eine Chance sein. Das heißt nicht, dass Fasten hilft, Depressionen zu lindern, aber manchmal kann es gut sein, über Ihr schwächeres Selbst hinwegzukommen. Die meisten Kontraindikationen beim Fasten sind normalerweise medizinischer Natur.
Welche Alternativen gibt es zum therapeutischen Fasten?
Die Möglichkeiten sind vielfältig. Ich bin in dieser Hinsicht ein großer Verfechter der Bewegung. Bei kaltem Winterwetter können Sie jetzt gegen Ihre Gewohnheit vor die Tür gehen. Oder fragen Sie sich: Wie komme ich ohne Auto von A nach B? Wenn Sie beispielsweise auf ein Auto verzichten, tun Sie möglicherweise nicht nur etwas Gutes für sich selbst, sondern auch für Ihre Mitmenschen und die Umwelt. Dieses Bewusstsein kann gut für die Psyche sein. Oder um allgemein zu erfahren, wie ich meinen Alltag organisiere und wie viel Zeit ich mit meinem Handy verbringe. Ich empfehle, ruhig zu bleiben und nicht zu viel zu unternehmen. Neue Erfahrungen sind gut, weil ich daraus schöpfe. Ob ich mehrere Tage faste oder in der Kälte spazieren gehe.