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Anstelle einer Babyklappe? Über 800 vertrauliche Geburten in Deutschland

Berlin. In Brandenburg hat eine junge Frau am 8. Februar ihr Baby verlassen und dann der Polizei vorgetäuscht, sie habe ein fremdes Kind gefunden und versucht, ihre Mutterschaft zu vertuschen. Solche Fälle treten in Deutschland immer wieder auf – aber schwangere Frauen, die sich nicht als Mutter ihres Kindes ausweisen wollen, hatten lange andere Möglichkeiten. Wie eine Umfrage des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND) ergab, wird die gesetzeskonforme vertrauliche Geburt deutlich häufiger verwendet als die umstrittenen Babyklappen, die jedoch immer noch in jedem Bundesland verwendet werden.

Im Jahr 2000 wurde in Hamburg die erste moderne Babyklappe installiert. Bis heute sind die Klappen umstritten und unterliegen keinem Gesetz, dh tatsächlich illegal – werden aber toleriert. Sie unterliegen keinen Kontrollen. Seit 2014 gibt es daher eine legale und rechtlich verankerte Alternative in Form einer vertraulichen Geburt, bei der die Identität der Mutter für mindestens 16 Jahre verborgen bleibt.

Kann eine vertrauliche Geburt Babyklappen ersetzen? Und wie viel Resonanz haben die beiden Angebote erhalten? Das RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) befragte die Sozialministerien der 16 Bundesländer. Die Umfrage zeigt: In allen Bundesländern wird eine vertrauliche Geburt akzeptiert, Babyklappen existieren jedoch weiterhin.

212 Kinder in sechs Bundesländern in Babyklappen

Die Umfrage zeigt, dass es in jedem Bundesland mindestens eine Babyklappe gibt, insgesamt rund 86 im ganzen Land. In Nordrhein-Westfalen gibt es die meisten Ventile mit 24 Teilen, in Bremen, im Saarland und in Brandenburg gibt es nur eine Möglichkeit, ein Kind anonym abzugeben – und in Brandenburg ist die Einrichtung derzeit geschlossen.

Da für Babyklappen keine Registrierungspflicht besteht, werden weder landesweite noch landesweite Daten zu dieser Form der Kinderübergabe erfasst. Trotzdem konnten einige Bundesländer Zahlen liefern. In Baden-Württemberg wurden von 2001 bis 2017 insgesamt 90 Babys in den acht Klappen gegeben, in Rheinland-Pfalz von 2000 bis 2018 insgesamt 46. In Bremen gibt es nur einen Korb, in dem im letzten 24 Babys gefunden wurden 10 Jahre. Ebenso viele wurden in Sachsen-Anhalt gezählt, in Hamburg gab es im gleichen Zeitraum 21 Babys. Im Saarland haben in den letzten zehn Jahren nur sieben Mütter ihr Kind aufgegeben. Innerhalb von 19 Jahren wurden allein in sechs Bundesländern insgesamt 212 Babys in Klappen gefunden.

Im Gegensatz zur Kinderübergabe in Babyklappen werden vertrauliche Geburten dem Bundesamt für familiäre und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) gemeldet. Dementsprechend gab es seit seiner Einführung im Jahr 2014 landesweit 827 vertrauliche Geburten. Laut BAFzA steigen die Zahlen stetig an.

Die RND-Umfrage zeigt, dass die meisten dieser Geburten in Nordrhein-Westfalen liegen. Von 2015 bis 2019 wurden im Land 146 Kinder auf diese Weise geboren. Von 2014 bis 2019 gab es in Bayern 77 Fälle. Es folgt das Land Hessen, in dem nach Angaben des hessischen Sozialministeriums durchschnittlich zehn dieser Geburten pro Jahr stattfinden. In Schleswig-Holstein wurde die Gelegenheit von 38 Frauen genutzt. Das Saarland bildet den Schlusspunkt: Seit seiner Einführung wurden dort nur sechs vertrauliche Geburten durchgeführt.

Vertrauliche Geburt als legale Alternative

Da Babyklappen keine Rechtsgrundlage haben, sind sie in Deutschland umstritten. Indem sie anonym eingereicht werden, verletzen die Mütter das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung, das im Grundgesetz verankert ist. Darüber hinaus kann eine unbeaufsichtigte Geburt Mütter gefährden.

Kritiker bestreiten auch, dass Babyklappen Kindsmord verhindern können. Laut Terre des Hommes widersprechen die Motivationen von Frauen, die ihre Kinder töten, völlig denen, die ihr Kind in eine Babyklappe stecken. Wenn Frauen oder Männer ihre Kinder töten, ist dies ein Akt der reinen Verzweiflung. Wer das Kind in eine Babyklappe steckt, möchte, dass es überlebt.

Für den Deutschen Ethikrat haben sich diese Argumente bereits 2009 durchgesetzt, damals die Abschaffung von Babyklappen gefordert und ein „Gesetz zur vertraulichen Übergabe von Kindern mit vorübergehend anonymen Berichten“ empfohlen.

2014 folgte der Bundestag dem Vorschlag und schuf die Möglichkeit einer vertraulichen Geburt – nicht als Ersatz, sondern als legale Alternative zur Babyklappe.

Neben dem Wunsch der schwangeren Frau, ihre Identität zu verbergen, werden auch die Rechte des Kindes berücksichtigt: Die Frau gibt ihre Daten bei der Geburt an, diese werden jedoch bei der BAFzA unter Verschluss gehalten. Das Kind kann erst 16 Jahre nach der Geburt einen Herkunftsnachweis beantragen. Wenn die Mutter dann anonym bleiben will, kann sie sich an ein Gericht wenden. In bestimmten Fällen bleibt die Anonymität gewahrt.

Das Recht auf Herkunft ist nicht wichtiger als das Recht auf Leben

Neben der Möglichkeit einer vertraulichen Geburt bestehen weiterhin die Babyklappen. Heidi Kaiser, Mitbegründerin von Deutschlands erster Babyklappe, betonte gegenüber dem RND, wie wichtig das Recht ist, die eigene Herkunft zu kennen. Sie machte aber auch deutlich, dass dieses Recht nur gelten könne, wenn das Recht auf Leben erfüllt sei. Deshalb wird die Wärmeklappe in Hamburg weiterhin für die Säuglinge bereitgehalten, „deren Leben sonst in Gefahr ist“.

Das Bundesministerium für Familie lehnt auch die Abschaffung von Babyklappen ab. Eine Sprecherin sagte: „Es gibt immer noch Frauen, die die vertrauliche Geburt nicht kennen oder sich nach ausführlicher Beratung durch eine Schwangerschaftsberatungsstelle immer noch für eine Babyklappe entscheiden. Um ihr Kind zu schützen, ist die Versorgung mit Babyklappen für verzweifelte Frauen daher nach wie vor wichtig. „Die Bundesregierung plant derzeit keine gesetzlichen Regelungen für diese Form der anonymen Entbindung von Kindern.

Übersicht über Babyklappen und Anzahl vertraulicher Geburten in den Bundesländern

Im Jahr 2017 gab es in Baden-Württemberg acht Babyklappen. Seit der Installation der ersten Babyklappe im Jahr 2001 wurden dort bis 2017 insgesamt 90 Babys abgegeben. Dem Sozialministerium lagen keine neueren Daten vor. Von 2014 bis einschließlich 2019 gab es im Bundesstaat 47 vertrauliche Geburten.

Derzeit gibt es in Bayern zehn Babyklappen. Das bayerische Sozialministerium konnte nicht angeben, wie viele Neugeborene dort bereits übergeben wurden. Zwischen 2014 und 2019 gab es in Bayern 77 vertrauliche Geburten.

In Berlin gibt es fünf Babyklappen. Der Senat für Gesundheit antwortete nicht auf die Anfrage des RND.

In Brandenburg gibt es eine Babyklappe, die derzeit jedoch geschlossen ist. Das Sozialministerium antwortete nicht auf die Anfrage des RND.

In Bremen gibt es einen Babykorb, in dem in den letzten zehn Jahren 24 Babys geschenkt wurden. Im Durchschnitt gibt es im Bundesstaat drei bis vier vertrauliche Geburten pro Jahr. Der Senat für Gesundheit konnte keine Gesamtzahl angeben.

In Hamburg gibt es vier Babyklappen, in die seit 2010 insgesamt 21 Kinder eingelegt wurden. Dort wurde 2020 ein Baby geboren. Von der Einführung der vertraulichen Geburt bis September 2020 nutzten 18 Mütter den vertraulichen Geburtsweg.

Das Bundesland Hessen hat drei Babyklappen. Das Ministerium konnte keine Informationen darüber liefern, wie viele Kinder dort zurückgelassen wurden. Die Anzahl der Fälle kann aus den Anträgen abgeleitet werden, die nach einer vertraulichen Geburt gestellt werden müssen. Im Durchschnitt gibt es zehn Fälle pro Jahr.

Nach Angaben des Sozialministeriums gibt es in Mecklenburg-Vorpommern zwei Babyklappen. Es gibt keine Daten darüber, wie oft diese verwendet werden. Seit 2014 sollte es in Mecklenburg-Vorpommern rund 14 vertrauliche Geburten geben.

Dem Sozialministerium sind insgesamt fünf Babyklappen in Niedersachsen bekannt. Das Ministerium konnte keine Informationen darüber liefern, wie diese verwendet werden. Ebenso hatte das Land keine vertraulichen Geburtszahlen.

In Nordrhein-Westfalen gibt es rund 24 Babyklappen. Das Familienministerium konnte keine Auskunft darüber geben, wie viele Kinder dort bereits abgesetzt wurden. Von 2015 bis 2019 gab es im Bundesstaat 146 vertrauliche Geburten.

Derzeit sind in Rheinland-Pfalz sechs Babyfenster erhältlich. Von 2000 bis 2018 wurden dort 46 Kinder abgegeben. 2014 gab es zwei vertrauliche Geburten und 2019 neun. In diesem Zeitraum wurden insgesamt 33 Kinder auf diese Weise geboren.

Im Saarland gibt es eine Babyklappe. In den letzten zehn Jahren wurden sieben Babys in die Babyklappe gelegt. In einem Fall beschloss die Mutter des Kindes, das Kind nach Rücksprache zu behalten. Die anderen sechs Kinder wurden in Adoptivfamilien untergebracht. Seit 2014 gab es im Saarland sechs vertrauliche Geburten.

In Sachsen gibt es fünf Babyklappen, aber das Sozialministerium hat keine Daten darüber, wie viele Kinder dort bereits übergeben wurden. Seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Regelung vertraulicher Geburten haben im Staat 41 vertrauliche Geburten stattgefunden.

Nach Angaben des Sozialministeriums gibt es in Sachsen-Anhalt drei Babyklappen. Von 2010 bis 2019 wurden dort 24 Kinder abgegeben. Im Jahr 2020 wurden sechs vertrauliche Geburten angekündigt, wobei drei Kinder zur Adoption gestellt wurden und zwei Kinder zu ihren leiblichen Eltern zurückkehrten. Von 2014 bis 2020 wurde das vertrauliche Geburtsangebot 20 Mal genutzt.

Dem Sozialministerium sind fünf Babyklappen in Schleswig-Holstein bekannt. Das Sozialministerium hat keine Kenntnis von der Bedienung und Verwendung von Babyklappen in Schleswig-Holstein. Von 2014 bis 2020 gab es im Bundesstaat 38 vertrauliche Geburten, bei zwei Geburten wurde die Vertraulichkeit jedoch erneut aufgehoben.

In Thüringen sind drei Babyklappen bekannt. Das Sozialministerium konnte nur Informationen über vertrauliche Geburten für die Jahre 2014 bis 2017 bereitstellen. In dieser Zeit wurden fünf Kinder auf diese Weise geboren.

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