Doping-Scandal im Turnen: Trainer Milbradt spricht Klartext!

Leipzig, Deutschland - In einem aufschlussreichen Gespräch in Leipzig hat Jens Milbradt, der Cheftrainer der deutschen Turner, unumwunden über Dopingpraktiken in der DDR berichtet. Anlässlich der aktuellen Missstände im deutschen Turnsport, die seit Ende 2022 durch Turnerinnen wie Tabea Alt ans Licht gekommen sind, stellte er klar, dass er während seiner aktiven Zeit zwar „geahnt“ habe, aber keine konkreten Beweise hatte. Diese Aussagen wurden von der MDR aufgegriffen, als Milbradt auf die Fragen zu seinem Wissen um Doping antwortete.
Milbradt, der seit November 2022 das Traineramt übernommen hat, ist nicht nur ein engagierter Sportler, sondern auch ein kritischer Beobachter der Entwicklungen im Turnsport. In einem Interview mit der FAZ plädierte er für eine differenzierte Betrachtung der Doping-Vorwürfe, die sowohl aus seiner aktiven Karriere als auch von den aktuellen Affären zeugen. Dabei bedauert er die unzureichende Kommunikation zwischen Turnerinnen, Trainern und dem Deutschen Turner-Bund (DTB), was die Problematik zusätzlich verschärfe. Er sieht den Turn-Sport nicht zu Unrecht den Vorwürfen ausgesetzt.
Dopingpraktiken im historischen Kontext
Das Thema Doping im deutschen Sport ist nicht neu. Bereits ab 1974 setzte die DDR ein systematisches Dopingprogramm namens „Staatsplan 14.25“ in Gang. Dies diente nicht nur dem sportlichen Erfolg, sondern auch der staatlichen Propaganda. Laut dem Deutschlandfunk haben DDR-Athleten insgesamt 755 Olympiamedaillen, darunter über 200 Goldmedaillen, gewonnen, was kritisch durch die massenhafte Anwendung von leistungssteigernden Substanzen in Frage gestellt werden muss. Milbradt selbst war ein erfolgreicher Turnsportler und holte unter anderem einen Vize-Weltmeistertitel, für den er heute unweigerlich in die Diskussion geraten ist.
Die staatlich überwachte Verabreichung von Anabolika und anderen Dopingmitteln betraf zeitweilig bis zu 15.000 Athleten, darunter auch Minderjährige. Viele betroffene Sportler kämpfen bis heute mit erheblichen gesundheitlichen Problemen. So berichten Historiker von einem erschütternden Ausmaß an chronischen Krankheiten und psychischen Störungen, die durch diese Praktiken verursacht worden sind.
Weg zur Rehabilitation und Entschädigung
In der jüngeren Vergangenheit gab es immer wieder Versuche, Dopingopfer zu rehabilitieren und zu entschädigen. Nach der Aufdeckung der Dopingpraktiken durch die Berliner Doping-Prozesse 1997 wurde das DDR-Staatsdopingsystem als „mittelschwere Kriminalität“ anerkannt. Jedoch erkannten zahlreiche Betroffene die angebotenen Entschädigungen als unzureichend an. Das Doping-Opfer-Hilfegesetz (DOHG), das 2002 verabschiedet wurde, umfasste lediglich eine begrenzte Anzahl von Opfern, und der nachfolgende Gesetzesentwurf zur weiteren Unterstützung wurde 2019 eingestellt.
Die Forderung nach einer umfassenden rechtlichen Anerkennung der Dopingopfer ist daher noch nicht erfüllt. Evelyn Zupke, die erste Bundesbeauftragte für die Opfer der SED-Diktatur, hat bereits eine Gesetzesänderung gefordert. Laut dem Dopingopferhilfeverein (DOH) ist eine tiefere gesellschaftliche Auseinandersetzung mit den Folgen des DDR-Dopingsystems ebenso notwendig wie eine historische Aufarbeitung.
Der Aufruf zur Transparenz und zur Beseitigung der Missstände im Turnsport wird zunehmend lauter, und das Engagement von Trainern wie Jens Milbradt könnte den ersten Schritt in eine neue und gerechte Richtung darstellen. Dabei verweist er auf die Notwendigkeit, die Schwierigkeiten im deutschen Turnsport offen zu diskutieren, um die dringend notwendigen Reformen einzuleiten.
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Ort | Leipzig, Deutschland |
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