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„Es gibt keinen Schritt nach vorne“

Berlin. Herr Schiller, wie ist die Situation in der Sahelzone?

Die Situation ist unverändert: Schlimmer kann es nicht werden. An den grundlegenden Problemen hat sich nichts geändert. Ich sehe keinen Schritt nach vorne.

Frankreich berichtet wiederholt über die Erfolge seiner militärischen Anti-Terror-Mission in Barkhane.

Es gibt Erfolge, aber auch Rückschläge. Und der Terror ist nur ein Symptom. Die grundlegenden Probleme sind unterschiedlich: Geographie, Demographie und Staatlichkeit.

© Quelle: KAS

Was bedeutet das?

An der Spitze steht die Staatlichkeit. Funktionierende staatliche Strukturen existieren in den Sahel-Ländern nicht oder kaum. Dies bedeutet, dass selbst vorhandene Ressourcen nicht sinnvoll genutzt werden können. Infolgedessen gibt es bestenfalls kleine Fortschritte – oder Erfolge werden wieder rückgängig gemacht. Und selbst bei bestmöglicher Ressourcennutzung wäre es schwierig, die vorhandenen riesigen unterentwickelten Flächen zu versorgen. Dann ist da noch die Demografie: Die Bevölkerung wächst enorm. Das hilft nicht, die Probleme kleiner zu machen. Selbst in Deutschland haben wachsende Städte oft Schwierigkeiten, genügend Schulen bereitzustellen. Dies nimmt zu, wenn das Bildungssystem bereits verlassen ist und jedes Jahr Hunderttausende Menschen dazukommen.

Was kann getan werden?

Die Geographie kann nicht verändert werden, zumindest mit der Demographie ist es schwierig. Was am wahrscheinlichsten angegangen wird, ist die Förderung der Staatlichkeit. Wenn es nicht existiert, gibt es kein Erfolgsszenario. Aber auch die afrikanischen Eliten müssen dazu bereit sein.

Ist das eine ähnliche Entwicklung wie in Afghanistan?

Absolut. Eine ähnliche Logik wurde in der Sahelzone angewendet: Entwicklungszusammenarbeit plus militärische Mission. Zunächst wurden die lokalen und regionalen staatlichen Akteure vergessen, die erst wirklich aufgebaut, gestärkt und mitgenommen werden müssen, damit langfristig nicht alles vom internationalen Engagement abhängt.

Die Sahel-Debatte in Deutschland konzentriert sich hauptsächlich auf die Mission der Bundeswehr in Mali.

Es ist wichtig, die gesamte Region zu kennen. Und es reicht nicht aus, sich auf das Training der Streitkräfte zu konzentrieren.

Frankreich spielt die führende Rolle in der Sahel-Mission der internationalen Gemeinschaft. Ziehen sie alle zusammen?

Die internationale Gemeinschaft tut viel. Die Zahl der Schauspieler ist enorm gewachsen. Aber die Koordination sollte besser werden. Es wäre eine Aufgabe der Kommunalpolitiker, ihre Prioritäten zu definieren.

Derzeit besteht ein starkes internationales Interesse an Russland, China und den USA. Wird der Region genügend Aufmerksamkeit geschenkt?

Der Sahelzone ist nach wie vor besondere Aufmerksamkeit zu widmen, da hier auch militärische Operationen stattfinden. Demografie, Geografie und Staatlichkeit sind aber auch in anderen afrikanischen Ländern ein Problem. Es wäre wichtig, den gesamten Kontinent genauer zu betrachten. In Deutschland wird Afrika oft noch als weit entfernt und exotisch wahrgenommen, es gibt immer noch zu wenig persönliches Interesse oder Bewusstsein dafür, dass dies unser benachbarter Kontinent ist.

Inwieweit verschärft die Koronapandemie die Situation?

Niemand weiß es wirklich. Es wird wenig getestet. Deshalb sind die offiziellen Infektionszahlen sehr niedrig. Viele internationale Projekte sind schwieriger geworden, weil die Organisationen sich selbst Quarantäneregeln auferlegt haben und die Unterstützung vor Ort daher schwieriger ist. Die große Gefahr besteht darin, dass die globale Wirtschaftsentwicklung die afrikanischen Länder nach unten ziehen wird.

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