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Wie können tödliche Unfälle verhindert werden?

Berlin / München. Die gute Nachricht zuerst: Die Zahl der Verkehrstoten in Deutschland ist seit mehreren Jahren rückläufig. 2019 waren es 16,5 Prozent weniger als 2010. Der Automobilclub ADAC geht davon aus, dass im Corona-Jahr 2020 noch weniger Menschen ums Leben gekommen sind. Aber jetzt die schlechte Nachricht – zumindest für Radfahrer: Der Trend geht seit Jahrzehnten in die entgegengesetzte Richtung. Immer mehr von ihnen sterben im Verkehr. Im Jahr 2019 waren es 445. Ebenso stieg die Zahl der verletzten Radfahrer auf rund 87.000. „Die Anzahl der nicht gemeldeten Fälle könnte viel höher sein, da die Polizei häufig nicht beteiligt ist“, sagt Jasper Berg von der Association for Service and Bicycle (VSF).

Ein Grund für die wachsende Zahl: Immer mehr Menschen steigen auf ihre Fahrräder – im vergangenen Jahr waren es fast 40 Prozent mehr. „Während der Koronapandemie haben viele Menschen das Radfahren für sich entdeckt“, sagt Laura Ganswindt, Sprecherin des ADFC Bayern. Dies erhöht auch die Zahl der Unfälle – wenn auch nicht proportional, erklärt Berg: „Statistisch gesehen ist Radfahren noch sicherer.“

Unfälle werden oft von Autofahrern verursacht

Weitere Gründe liegen vor allem in der Fahrradinfrastruktur und dem Verhalten der Verkehrsteilnehmer: Rund zwei Drittel aller Fahrradunfälle sind Autos betroffen, von denen rund 75 Prozent von Fahrern verursacht werden. Wendeunfälle sind besonders häufig. Das Vorfahrtsrecht wird an Ein- und Ausgängen häufig missachtet. Eine weitere typische Unfallursache ist das sogenannte Dooring. Das heißt: Die Autotür wird geöffnet, sobald ein Radfahrer vorbeifährt.

Auch Radfahrer machen Fehler mit katastrophalen Folgen. Die Gefahr ist besonders groß, wenn Sie in die entgegengesetzte Fahrtrichtung fahren. 20 Prozent aller Stürze werden auch als Einzelunfälle eingestuft, erklärt Ganswindt. Auf vielen Radwegen beispielsweise erschweren Schlaglöcher, Baumwurzelschäden oder nasse Blätter den Radfahrern das Leben. „Viele Radwege sind in einem schlechten Zustand“, kritisiert Berg.

Radwege sollten geschützt und geräumiger sein

Einige Gemeinden bemühen sich, das Radfahren sicherer zu machen, beispielsweise durch Farbcodierung von Radwegen an Kreuzungen. Das ist hilfreich, aber eher eine kosmetische Korrektur, sagt Ganswindt. Anika Meenken, Radfahrensexpertin beim Verkehrsclub Deutschland (VCD), fordert daher eine grundlegende Verbesserung der Fahrradinfrastruktur: „Sie brauchen breite, gut sichtbare Wege – insbesondere in Kreuzungsbereichen.“

Geschützte Radwege, die durch Poller oder Lastkähne vom anderen Verkehr getrennt sind, gelten als sicher. Verkehrsexperten halten es auch für vorteilhaft, wenn Radfahrer an Kreuzungen sichtbar vor den Autos warten und etwas früher grün werden. Darüber hinaus sollten Radwege großzügiger gebaut werden – nicht zuletzt, weil sie dann auch für Cargo-Bikes leicht befahrbar sind.

„Wenn Sie das Leben schützen wollen, ist dies ohne Einschränkungen für den Autoverkehr nicht möglich.“

Anika Meenken, Fahrradverkehrsexpertin des Verkehrsclub Deutschland (VCD)

Helsinki gilt als Vorbild

Das Problem dabei ist, dass es vor allem in Städten an Platz mangelt. Deshalb geht es bei der Planung der Verkehrsinfrastruktur fast immer um eine gerechte Verteilung der Verkehrsflächen, erklärt Ganswindt. Um gute Bedingungen für Radfahrer zu erreichen, müssten die Fahrspuren für den motorisierten Verkehr neu reserviert werden. „Wenn Sie das Leben schützen wollen, können Sie nicht auf Einschränkungen des Autoverkehrs verzichten“, ist auch Meenken überzeugt.

Sie befürwortet auch die landesweite Einführung von Tempo 30 in Städten: „Studien haben gezeigt, dass insbesondere Radfahrer und Fußgänger von einer Geschwindigkeitsreduzierung profitieren“, sagt sie. In der finnischen Hauptstadt Helsinki beispielsweise, wo die Höchstgeschwindigkeit fast überall 30 km / h beträgt, gab es 2019 keinen tödlichen Unfall mit einem Radfahrer. Meenken hält auch Abbiegehilfen für LKW für wichtig.

Für einige mag der Fahrradhelm ein lästiges Accessoire sein, aber im Notfall kann er Leben retten.

„Radfahrer müssen immer damit rechnen, dass andere Menschen Fehler machen“

Radfahrer können auch einen Beitrag zu ihrer eigenen Sicherheit leisten. Dies schließt die Einhaltung der Verkehrsregeln ein. Darüber hinaus sollte darauf geachtet werden, dass ein fahrbereites Fahrrad und eine gute Sicht gewährleistet sind. Ein Helm schützt nicht vor Unfällen, aber oft vor schweren Verletzungen. Ganswindt empfiehlt außerdem, Augenkontakt mit abschaltenden und defensiven Fahrern herzustellen und vorausschauend zu fahren: „Radfahrer müssen immer mit Fehlern anderer rechnen. Im Zweifelsfall sollten sie auf ihre Rechte verzichten. „“

Das soll aber nicht nur bedeuten, dass Radfahrer immer verantwortungsbewusster werden, betont Meenken. Es geht vielmehr um gegenseitige Rücksichtnahme. Ganswindt empfiehlt daher einen Perspektivwechsel: So sollten Autofahrer den Verkehr aus der Sicht eines Radfahrers erleben – und umgekehrt. Schon kleine Verhaltensänderungen tragen zur Reduzierung von Unfällen bei. Ein Beispiel: Wenn sich Fahrer daran gewöhnen, ihre Tür mit dem rechten Arm zu öffnen, schauen sie automatisch über die Schulter und bemerken, dass sich Radfahrer nähern.

Je älter, desto größer das Risiko

Neben Kindern unter 15 Jahren sind insbesondere ältere Radfahrer in Unfälle verwickelt: Der Anteil der über 65-Jährigen, die bei einem Unfall ums Leben kamen, betrug 2019 mehr als die Hälfte. Ihr Anteil beträgt 72 Prozent, auch wenn nur Elektrofahrräder berücksichtigt werden Konto. Experten sehen jedoch nicht die höhere Geschwindigkeit, die mit Pedelecs erreicht werden kann, als Ursache. Sie weisen vielmehr darauf hin, dass die Unterstützung von Elektromotoren Menschen das Radfahren ermöglicht, die sonst nicht auf Fahrräder gestiegen wären, einschließlich einiger unerfahrener Fahrer.

Außerdem nimmt die Reaktionszeit im Alter zu, aber die Sinne und Reflexe nehmen ab. Ältere Menschen fallen daher häufiger, was auch vergleichsweise schwerwiegende Folgen hat. Insbesondere Senioren sollten daher an Fahrradsicherheitstrainings teilnehmen, bei denen die Kontrolle über das Fahrrad im Mittelpunkt steht.

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