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Warum sind Friseure wirklich wichtig?

In Deutschland ist es kurz vor einem Friseur. Die Salons dürfen am Montag wieder öffnen, das Ende der Koronamähne ist in Sicht. In der Corona-Zeit ließen sich viele Männer von ihren Frauen die Haare schneiden, zum Beispiel Gerhard Schröder.

Frauen schlugen billige Farbe aus der Drogerie auf ihre grauen Wurzeln oder versuchten, die herausgewachsenen Pony so gut sie konnten zu ignorieren. Nun ist es vorbei: Die 80.000 Friseure öffnen nach einer monatelangen Zwangspause wieder.

Für einige erhielten sie überraschenderweise die Erlaubnis von Bund und Ländern. Sie sind früher als der Einzelhandel, was zu Problemen führte. Nach dem Motto: Warum sind Friseure so wichtig?

Eine Frage des Bildes

Wie Ihr Haar passt: Es kann einen großen Unterschied machen. Ursula von der Leyen hat sich vor einigen Jahren mit kurzen Haaren von ihrem festen Bild der niedersächsischen „Röschens“ befreit. Angela Merkel verdankt ihren optischen Relaunch dem kürzlich verstorbenen Friseur Udo Walz. Kabarettisten haben lange Zeit kaum über ihre Haare gescherzt.

Die gut frisierten Fußballer zeigen, dass das Thema auch für viele Männer keine Nebensache ist. Oder die Männer, denen bereits die Haare transplantiert wurden: Italiens Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi, Fußballtrainer Jürgen Klopp, FDP-Chef Christian Lindner. Dies reimte sich 2014 in einer Aachener Karnevalsrede: „Um ein liberales Wachstum zu erzielen, habe ich mir die Haare transplantieren lassen.“ Die Halle sang: „Du hast schöne Haare, du hast schöne Haare.“

Mit Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und Außenminister Heiko Maas (SPD) steht ein Besuch beim Friseur kurz bevor, sieht aber noch nicht dringend aus. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder könnte bald wie ein Monchichi-Affe im Lockdown aussehen. Im Moment ist sein Blick etwas zerzaust. Für den CSU-Politiker ist eine ordentliche Frisur nicht nur eine Frage der Hygiene, wie er in der Entspannungsdebatte deutlich gemacht hat. Er sagte, es gehe auch um Würde. Über Würde?

Der Friseur ist auch nicht zum Plaudern da

„Ich denke, das ist absolut richtig“, sagt der Berliner Star-Friseur Shan Rahimkhan. Er beschreibt die Wirkung eines Salonbesuchs wie folgt: „Du gehst raus und fühlst dich gut, es tut dir etwas an.“ Er führt die gängigen Argumente der Branche an: Im Gegensatz zum Einzelhandel ist ein Besuch beim Friseur nicht online. Wenn Sie einen Termin im Internet in Lockdown buchen, ist dies illegal. Dann besser bei richtiger Hygiene im Salon. Shan Rahimkhan denkt an die 90-jährige Tante seiner Frau. Sie ist gut zu Fuß, aber seit Monaten allein, ohne zu plaudern oder ohne jemanden, der zuhört. Der Friseur fehlt.

Beim Zentralverband des Deutschen Friseurhandels heißt es, der Beruf sei „sozial systemrelevant“. Das heißt: Er ist auch wichtig für das Miteinander. Es versteht sich von selbst, dass die Friseure so argumentieren. In der Lockerungsdebatte wollen viele Branchen bald wieder öffnen. Aber wenn Sie dem Smalltalk unter Kollegen folgen oder sich bei Verwandten erkundigen, ist es wahr: Friseure sind sozialer Zement und Balsam. „Schönheit boomt, und das gilt auch für Deutschland“, sagt Zentralverbandsleiter Jörg Müller. Die Pandemie machte das noch schlimmer.

Außerhalb der Branche gefragt: Sind Friseure wichtiger geworden? „Ja und Nein“, sagt der Kunsthistoriker und Autor Christian Janecke („Haare tragen: ein kulturwissenschaftlicher Ansatz“, „Tragbare Stürme – aus spritzenden Haaren und böigen Frisuren“). Einerseits: Wenn es um Optik geht, ist sie nicht mehr so ​​streng wie in einigen Berufen. Es gibt auch einen Trend, eigene Haare zu machen, wenn es um Haare geht.

Haar ist Ausdruck von Kultur

Auf der anderen Seite: „Wir haben eine Gesellschaft, in der die Fassade wieder an Bedeutung gewinnt.“ Aus Janeckes Sicht verstärken die Videokonferenzen im Home Office dies, jeder wird zu „sprechenden Köpfen“, das Gesicht wie ein Bild gerahmt. „Und Haar ist nicht nur Ausdruck der Natur, sondern auch Ausdruck der Kultur“, sagt der Professor an der Universität Offenbach. Der Körper bleibt gleich – eine Frisur kann den Unterschied ausmachen, ähnlich wie Schuhe. Die Selfie-Kultur und die Kraft der Bilder in der digitalen Welt spielen für ihn ebenfalls eine verstärkende Rolle.

Wie es sich anfühlt, mit einem fehlgeschlagenen Schnitt vom Friseur zu kommen, diese tiefe Verzweiflung, hat eine Szene in der britischen Serie „Fleabag“ gut eingefangen. Dort tröstet die Heldin ihre Schwester, die sich mit ihrem krummen Friseur elend fühlt: „Es ist modern!“ Und wenn nichts hilft: „Es ist französisch!“ Als der Friseur im Salon versucht, die Krankenschwestern davon zu überzeugen, dass Haare nicht so wichtig sind, platzt Fleabag heraus: „Haare sind alles!“

Ein verändertes Aussehen wirkt sich auf den Geist aus

Ein weiteres Beispiel für eine haarige Situation in einer Kleinstadt im Südwesten Deutschlands: Tante Hilde, eine Frau um die 60, deren richtiger Name nicht veröffentlicht werden sollte, leidet an der Pandemie ohne Friseur. Selbst wenn sie die Koronamaßnahmen versteht, war es schlecht für sie, eine Maske zu tragen. Nach ein paar Monaten konnte sie sich an die Stoffmasken gewöhnen, aber jetzt, wo es dieses „Schnabel“ mit den medizinischen Masken sein soll, ist sie total entstellt. Die Haare, die nicht flach liegen, werden zu dieser Mischung hinzugefügt: „Jetzt muss ich sie jeden Tag waschen.“ Tante Hilde fühlt sich so unwohl, dass sie kaum jemals ausgeht. Die Haare geben ihr den Rest.

Auch wenn es nicht immer so deprimierend ist, auf den Friseur zu verzichten, ist die Erleichterung da. „Nun, ich bin auch froh, wenn sich Friseure wieder öffnen können, das ist sicher“, sagte Angela Merkel Anfang Februar in einem Interview mit RTL und ntv.

Immerhin ging es der Kanzlerin haarweise besser als anderen. „Bekanntlich habe ich die Unterstützung eines Assistenten“, sagte sie, als sie gefragt wurde, wer sich während der Sperrzeiten um ihre Frisur kümmern würde. „Natürlich halten wir alle Hygienevorschriften ein.“ Anscheinend kann der Assistent nicht alles reparieren. „Du musst damit leben, dass du langsam grau wirst.“

Termine sind sehr gefragt

Der Ansturm auf die Friseure dürfte groß sein. In Bayreuth versteigerte Friseur Andreas Nuissl den ersten Termin nach der Sperrung für 422 Euro. Das Geld geht an eine Hilfsorganisation, die für Kinder arbeitet.

Mit Shan Rahimkhan, der Salons am Berliner Gendarmenmarkt und am Kurfürstendamm hat, sind die Termine wochenlang ausgebucht. Während der Sperrung erhielt er viele „unmoralische Angebote“ und weigerte sich immer, sich illegal die Haare zu schneiden. Sogar mit seinen eigenen Haaren sagte er, er sei konsequent und verzichte auf den Einsatz von Profis. Sein 13-jähriger Sohn durfte rennen. Es ging schief: „Ich habe ihm die falschen Aufsätze gegeben und dann waren meine Haare komplett rasiert.“

© dpa-infocom, dpa: 210226-99-602940 / 2

dpa

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