
Trotz zahlreicher Hinweise gibt es bisher keine eindeutigen Hinweise darauf, in welchen Hirnregionen diese Fähigkeiten verarbeitet werden. Für unser soziales Leben und unseren Job müssen wir in der Lage sein, mit unserer Umwelt und anderen Menschen umzugehen. Hier helfen uns die sogenannten exekutiven Funktionen, dh die grundlegenden mentalen Fähigkeiten, die das menschliche Denken und Handeln steuern. Dazu gehört beispielsweise die selektive Aufmerksamkeit, dh die Fähigkeit, sich auf einen Reiz zu konzentrieren und andere Dinge auszublenden, oder das Arbeitsgedächtnis, mit dem wir Informationen speichern und manipulieren können. Sie ermöglichen es uns auch, Aktionen zu planen und in einzelne Schritte zu unterteilen. Einige Leute tun dies jedoch nicht. Es fällt ihnen schwer, sich zu konzentrieren, ihre Handlungen kaum zielorientiert zu planen und ihre Impulse und Emotionen schlecht zu kontrollieren. Sie leiden an einem sogenannten dysexekutiven Syndrom, das beispielsweise durch eine traumatische Hirnverletzung oder einen Schlaganfall ausgelöst wird.
Der Leipziger Patient
Einer der Betroffenen ist ein 56-jähriger Patient aus Leipzig. Sie hatte mehrere Schlaganfälle erlitten, die eine strategisch sehr wichtige Hirnregion trafen: die sogenannte untere Verbindungsregion (IFJ – inferior frontal junction area) im Frontallappen der Großhirnrinde in beiden Gehirnhälften. Aufgrund der Verletzung konnte sie grundlegende psychologische Tests nicht bestehen. Dazu gehört die Aufgabe, eine Tour durch einen Zoo unter Berücksichtigung verschiedener Richtlinien zu planen, oder der sogenannte Stroop-Test, der misst, wie gut jemand störende, unwichtige Reize ausschließen kann, um sich auf die eigentliche Aufgabe zu konzentrieren. Das Besondere am untersuchten Patienten: Die Läsion war in beiden Hemisphären gleichermaßen auf die untere Verbindungsregion beschränkt (siehe Abbildung). So schwierig die Situation für den Patienten auch ist, sie bietet der Wissenschaft eine einzigartige Gelegenheit: Sie kann die Rolle dieser Region für exekutive Funktionen untersuchen.
Die kausalen Beweise
„Der endgültige Beweis, dass sich diese Führungsqualitäten dort befinden, wurde jedoch noch nicht erbracht“, erklärt Matthias Schroeter, Erstautor der zugrunde liegenden Studie und Leiter der Forschungsgruppe „Cognitive Neuropsychiatry“ am Max-Planck-Institut für Human Cognitive and Gehirnwissenschaften in Leipzig. Ein kausaler Beweis für solche funktionell-anatomischen Beziehungen wird jedoch nur erhalten, wenn die Bereiche tatsächlich ausgeschaltet sind – und somit die dort tatsächlich lokalisierten Fähigkeiten versagen. „Wir konnten das jetzt mit Hilfe des Patienten bereitstellen.“ Und nicht nur das. Neben dem klassischen Weg, einer bestimmten Gehirnregion auf der Grundlage von Hirnschäden und den entsprechenden Beeinträchtigungen individuelle Funktionen zuzuweisen, gingen die Forscher auch den umgekehrten Weg: Die „Big Data“ -Route über Datenbanken. Auf diesen Portalen stehen Informationen von Zehntausenden von Teilnehmern aus vielen psychologischen Tests und den aktivierten Bereichen des Gehirns zur Verfügung. Mit ihrer Hilfe konnten die Forscher die Beeinträchtigung des Patienten ausschließlich anhand der durch die Gehirnscans ermittelten Hirnschäden vorhersagen. Experten sprechen hier von Symptommessung – ein Verfahren, das in Zukunft eingesetzt werden könnte, um die Therapie gezielt an einzelne Patienten und deren Hirnschäden anzupassen, ohne sie im Detail testen zu müssen. „Wenn beispielsweise die exekutiven Funktionen eines Patienten nach einem Unfall oder Schlaganfall versagen, ist es für ihn normalerweise schwieriger, die anderen betroffenen Fähigkeiten zu regenerieren, da er Schwierigkeiten bei der Planung hat“, erklärt Schroeter. „Wenn Sie in Zukunft anhand der Läsionsaufzeichnungen und der Datenbanken genauer wissen, welche Regionen und damit welche Fähigkeiten versagt haben, können Sie die Therapie noch spezifischer anpassen.“
Wissenschaftlicher Kontakt
Prof. Dr. Dr. Matthias Schroeter, MA
Telefon: 0341 9724962
E-Mail: schroet@cbs.mpg.de